Frieder Rosenthal
Flucht aus dem kommunistischen Experiment
Rezension zu Gabriel Bergers Buch "Ich protestiere also bin ich. Erinnerungen eines Unangepassten"
Der Großvater des Verfassers, Josef Berger, ein aus Warschau stammender orthodoxer Jude, war, wie damals
viele Juden, in Deutschland vernarrt. 1923 folgte er seiner Liebe zum "Land der Dichter und Denker", verließ
die Insel der Sicherheit Großbritannien und ließ sich auf dem wankenden Boden Deutschlands in Berlin nieder.
Dafür musste er fünfzehn Jahre später mit der Flucht vor den Nazis und dem Verlust seines ganzen Vermögens
teuer bezahlen.
Der Vater des Verfassers, Leon Berger, in Berlin zum Kommunisten geworden, floh schon 1933 aus Deutschland
nach Belgien, später nach Frankreich. Hier kam der Verfasser in dem von den Nazis besetzten Land in einem
Versteck auf die Welt. Nach dem Krieg entschied sich Leon Berger, seiner Liebe zum Kommunismus zu folgen.
Er verließ Belgien und ließ sich in Polen nieder, das den Weg zum Sozialismus beschritt. Der polnische
Antisemitismus zwang ihn aber, 1957 dass Land zu verlassen. Er setzte das Experiment des Aufbaus einer
"besseren Gesellschaft" in der DDR fort. Dort starb er 1984, vier Jahre vor der Wende, bis zuletzt überzeugt,
der Sozialismus würde in der ganzen Welt siegen.
Der Verfasser des Buches Gabriel Berger wurde in der DDR Physiker. Mit seinem rationalen Denken durchdrang er
den vom Vater geerbten Glauben an die kommunistische Utopie, konfrontierte sie mit der ihn umgebenden realen
sozialistischen Wirklichkeit. Er wurde ein radikaler Demokrat, ein Dissident, wie man damals im Westen die
Kritiker des Sozialismus nannte. In der DDR hießen sie schlicht Staatsfeinde. Als solcher wurde Gabriel
Berger 1976 verhaftet und wegen "Staatsverleumdung" zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Danach wurde er,
wie damals üblich, gegen bare Münze an den Feind Bundesrepublik Deutschland verkauft. Seit dem lebte er
erst in Westberlin, dann in Bonn und wurde scharfer Beobachter morbider Stilblüten der westlichen Freiheit.
Gabriel Bergers Buch "Ich protestiere also bin ich" ist ein Stück gelebte Geschichte Europas im vergangenen
Jahrhundert. Fern jeder Schwarz-Weiß-Malerei liefert es einen Schlüssel zum Verstehen der kommunistischen
Utopie, sowie ihres Scheiterns in der realen Welt.
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