Im Jahr 1908 zog mein Großvater Josef aus seinem heimatlichen Warschau nach Palästina. Nach gescheitertem Versuch als Unternehmer übersiedelte er mit seiner durch neuen Nachwuchs von Jahr zu Jahr größer werdenden Familie, mit fünf Kindern, nach Belgien. Als Diamantenhändler konnte er der kinderreichen Familie einen gehobenen Wohlstand sichern. Der erste Weltkrieg erzwang aber die Flucht der Familie mit acht Kindern nach Großbritannien. Obwohl sich Josef dort als Händler schnell etabliert hat, zog er es als Bewunderer Deutschlands vor, mit seiner dreizehnköpfigen Familie 1923 nach Berlin zu ziehen. Dort ereilte 1933 die Familie ein neuer Schicksalsschlag: die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Die Familie mit inzwischen meist erwachsenen Kindern rettete sich in Frankreich, Belgien, Palästina, Großbritannien, den USA, Portugal und Südafrika. Alle überlebten die Zeit nationalsozialistischer Verfolgung.

Nach dem Krieg zerstreute sich die Familie auf die Staaten Israel, Belgien, USA, Mexiko, Österreich, die Bundesrepublik Deutsch-land, Südafrika, Ungarn, Polen und die DDR. Manchmal waren die Länderwechsel freiwillig, meist aber durch Flucht vor Kriegswirren und Verfolgung erzwungen. Zwei der elf Geschwister, darunter mein Vater, wählten die kommunistischen Staaten Osteuropas Polen, dann DDR, und Ungarn als ihre neue Heimat, wodurch die Familie einige Jahrzehnte lang durch den "Eisernen Vorhang" geteilt war.

Nach einem Jahr in politischer Haft wurde ich 1977 aus der DDR in die westliche Freiheit entlassen. Nun konnte ich durch die Welt reisen, die zahlreichen Verwandten kennenlernen und interviewen.